Schönen guten Abend,
die meisten Felder sind abgeerntet hier, gepflügt, geeggt. Wie das eigentlich immer während des kalendarischen Hochsommers ist. Die Kartoffeln stehen aber noch auf dem Acker. Auch das ist normal. Das Laub fast aller Bäume ist immer noch grün. Trotz heißer Tage und regenarmer Wochen. Das mag ungewöhnlich klingen.
Und doch stellt sich in diesem Jahr sehr viel früher Herbststimmung ein als in den letzten Jahren. Ich bin noch am Überlegen woran das liegen mag.
Sind es die Zugvögel die schon vor einer Woche zu hunderten auf Überlandleitungen saßen und sich auf ihre Abreise vorbereiteten? Der fehlende Vogelsang, das nicht mehr zu hörende Gezwitscher? Ist es nicht zu früh von Herbstbeginn zu sprechen?
Der Juni war extrem heiß, der Juli sehr durchmischt und auch der Augustbeginn war/ist bei kräftigen Winden alles andere als heiß. Schon seit Mitte Juli sind die Nächte bei hoher Luftfeuchtigkeit recht kühl. Die hohe Feuchte kondensiert auf den Wiesen, das hochstehende Gras scheint nass wie nach einem kräftigen nächtlichen Regenguss. Wenn wir nach durchschlafener Nacht aufstehen, verhindern taubeschlagene Fenster einen freien Blick über unseren Fluss und die dahinter liegenden weiten Felder. Nach einem orangefarbenen Sonnenaufgang frösteln wir bei einem ersten Gang in den stillen Garten. Feine Tautröpfchen bilden sich im von unserer Kreuzspinne geschaffenen Netz, blitzen funkelnd in der aufgehenden Sonne zwischen erbeuteten Stechmücken.
Ohne Zweifel: Auch wenn nach dem Kalender noch lange kein Herbst ist, faktisch fühle ich Herbst. Auch wenn die wenigen Störche noch hier sind -fast alle kamen in diesem Jahr erst Anfang Mai, auch das war noch nie der Fall-, ich glaube, sie werden bald wieder ziehen.
Ich bin kein Meteorologe, kein Ornithologe, kein sonstiger Naturwissenschaftler. Aber ich fühle mich eins mit unserer Natur, der Natur mit der ich verbunden bin, die ich Tag für Tag sehe, höre, fühle, rieche, schmecke, erlebe. Aber es ist nicht mehr die Natur die hier noch vor wenigen Jahren war.
Ich beiße mich nicht fest am Begriff "Klimawandel". Klimawandel? Mag sein. Ich sehe nur wie unsere Bäume sterben, wie wir keine Fische mehr haben, die Vögel weg sind. Gut, das ist ein anderes Thema. Oder doch nicht?
Herbstbeginn im Werder. Es stimmt mich immer wieder von Neuem melancholisch. Herbstbeginn. Eine Zeit des Ruhens, Ausruhens, Runterschaltens, Kräftetankens. Eine besinnliche Zeit.
Herbstbeginn im Werder. So früh? Zu früh? Der Sommer kann noch aufdrehen. Aber das müsste er bald tun. Es ist nicht mehr viel Zeit. In meinen Augen? Der Herbst hat wirklich begonnen, hier, im Werder. Unsere Störche werden die Zeichen der Zeit zu deuten wissen.
Herbstliche Grüße von hier
Wolfgang