Liebe Leserschaft,
Glück meinte es gut mit mir, denn seit einigen Tagen habe ich eine Abschrift der Lebenserinnerungen von Helene Lubitz in den Händen. Sie war auch eine geborene Dahms und die Nennung der Namen ihrer Verwandten kommt vielleicht bekannt vor, insbesondere aus den Berichten der Tochter von Paul Dahms, Johanna Scharmer, geborene Dahms. Ist ja auch verständlich, handelt es sich um eine Familie.
Es folgen wieder interessante Geschichten aus ihrem Leben in Stutthof, später über das Leben der Familie in Schloss - Neustadt, wo der Vater als Oberförster der Majoratsforsten des Grafen Keyserlingk arbeitete.
Auch diesmal werde ich den Lesestoff in mehreren Kapiteln unterteilen und ich wünsche den Lesern interessante Stunden.
Natürlich freue ich mich über Hinweise zu "handelnden" Personen und Ereignisse.
Nun geht's los....
Kapitel 1
Lebenserinnerungen
von
Helene Lubitz, geborene Dahms
Mannheim, den 11. Mai 1958 im Diakonissenhaus
Da ich wenig Schmerzen und nichts zu tun habe außer Medikamente zu schlucken, würde ich dem Wunsch der Kinder nachkommen und Ihnen von alten, längst vergangenen Zeiten berichten. Ob ich dies nun mit meinen fast 80 Jahren und den schlechten Gedächtnis, für die heutige Zeiten, noch schaffen werde, wer weiß? Vielleicht kommt manches dazwischen, was euch gar nicht interessiert, was vor mehr als 75 Jahren in meinem Gedächtnis haften geblieben ist. Ich möchte euch von euren Urgroßeltern erzählen, wo sie gelebt haben und wann sie geboren sind.
Der Vater meines Vaters Julius Eduard Dahms wurde am 27. Juli 1814 in Danzig geboren (mein Ur-Urgroßvater a.d.V. im Bild als Avatar zu sehen) und seine Frau Elise Marie Dahms, geborene Thornwaldt wurde am 3. Mai 1814 als Pfarrerstochter Danzig. Sie hatte einen Bruder, der Superintendent von St. Barbara und wiederum dessen Sohn Geheimrat Gustav Thornwaldt, Spezialist für Hals- Nasen- und Ohrenerkrankungen in Danzig - Neugarten war. Dieses waren die Angehörigen meiner Großmutter.
Der Großvater hatte einen Bruder, Onkel Hermann Dahms. Er warf Obermeister der Danziger Malerinnung und hatte viele schöne Bilder geschaffen. Auch ich bekam von ihm zu unserer Hochzeit den "Staubbach". Es war eines meiner schönsten Bilder, das beim Russeneinfall 1945, wie alles verloren ging. Onkel Hermann Dahms hatte einen Sohn, Paul Dahms, der später im Gymnasialdirektor in Zoppot war und eine Tochter Anna, mit dem Musikdirektor und Organist von St. Marien, Onkel Jankewitz, meinem späteren Gesangslehrer verheiratet war und dessen Haus wir wirklich, schöne Stunden erlebten. Wo sie später alle geblieben sind, weiß ich nicht. Großpapa Dahms war Leiter der großen Stutthöfer Schule. Auch er war musikalisch, hinterließ den Eltern eine sehr reichhaltige Bibliothek. Er wohnte in einem hübschen Häuschen mit einem großen Garten, der an den Garten unseres Vaters grenzte und die schönsten Pflaumen bekamen wir von Großpapa.
Mein Vater hatte noch zwei Brüder und eine Schwester. Der älteste Bruder Franz. Er fiel als Offizier 1870 bei Verdun. Onkel Hans starb 1890, seine Schwester Therese starb als junges Mädel und unser Vater Julius Cäsar starb am 16. Mai 1911 mit 61 Jahren.
Die Mutter meines Vaters starb am 17. Juli 1889 und der Großvater am 2. Februar 1897 Stutthof. Sie wurden in Steegen begraben. Das Grab von allen ist jetzt von Lebensbaum zu verwachsen, dass wir im Sommer 1957 Mühe hatten, Blumen darauf zu legen.
Von den Angehörigen meiner Mutter Marie Dahms, geborene Reimer, weiß ich nur wenig zu berichten. Sie waren schon fast alle vor meiner Geburt gestorben. Nur an eine Schwester meiner Mutter, Tante Tine Kroecker, geborene Reimer und Onkel Eduard Reimer aus Tiegenhof erinnere ich mich. Bei Tante Tine waren zehn Kinder, von denen leben heute noch drei. Zwei von ihnen habt ihr auch noch gekannt, Tante Martha Rahn, geborene Kroecker (Zoppot) Tante Toni Rusche, geborene Kroeckert.
Meine Eltern heirateten am 17. Oktober 1876. Wir waren sieben Geschwister:
Elise - Marie, geboren am 23.8.1877
Helene Frida (ich), geboren am 18.8.1878
Anna, geboren am 10.8.1885
Sophie, geboren am 16.05.1882
Franz Julius Eduard, geboren am 18.8.1885 (mein Urgroßvater, A.d.V.)
Curd, geboren am 17. vierte 1887 und
Margarete, geboren am 4.11.1888.
Von Ihnen alle leben nur noch Curt und ich. Meine Mutter starb in Greifenhagen (Pommern) am 23.1.1923, mein Vater am 16. Mai 1911.
Vater und Mutter wohnte zuerst in einem alten, großen Haus, in dem auch die Räume für die Post waren. Vater war inzwischen Post - Amtsvorsteher geworden, zu dessen Betrieb verschiedene Postagenturen und Hilfsstellen gehörten. Ein direkter Verkehr Pferdeomnibus war von Stutthof nach Bohnsack und Danzig nach Stutthof, Tiegenhof und nach Stutthof- Kahlberg eingerichtet worden. Die Pferde dazu gehörten dem Vater und dazu viel Personal. Wir Kinder wurden von einer Erzieherin unterrichtet und mein Vater, der sehr musikalisch und ein sehr guter Tenorsänger war, legte Wert darauf, dass wir mit kaum sechs Jahren schon Musikunterricht bekamen. Ich Geige und Elise Klavier. Da entsinne ich mich einer netten kleinen Geschichte. Vater hatte Geburtstag. Bei der Vormittagsgratulationskur spielten Elise und ich sehr brav "Ich habe mich ergeben", "Ich hatte einen Kameraden" und ähnliche Lieder, die nach dem Krieg 1870-71 an der Tagesordnung waren. Vater war hoch erfreut und wir sollten am Nachmittag, wenn der viele Geburtstagsbesuch dort war, wieder Vorspielen. Das passt uns aber gar nicht. Wir mussten uns zu helfen! Ich nahm ein Messer und schnitt von unten die G - Saite an, die es bei uns nicht zu kaufen gab und die dann beim Stimmen gegen Lehrer Göhn an die Nase sprang. Wir hatten jedenfalls unseren Willen. Als Vater, als junger Mensch in Danzig das Konradium besuchte wurde sein Lehrer auf seine sehr gute Stimme aufmerksam und er bekam Gesangsunterricht. Und noch mit fast 60 Jahren sang er im "Hohenzollernlied" das hohe"C". Es war an der Hochzeit von Martha Rahn, ich höre es noch. Zu seinen schönsten Erlebnissen gehört es wohl, als er bei einer festlichen Gelegenheit in Marienburg im "Großen Remter" vor dem alten Kaiser Wilhelm ein Tenor - Solo singen musste (durfte).
Julius Cäsar Gustav Dahms (*11.12.1849 in Stutthof, + 16.5.1911 in Sutthof) mit seinem SohnFriedrich Wolhelm Curt Dahms (*17.4.1887 in Stutthof, + 19.1.1971 in Berlin - Spandau) vor ihrem Hof in Stutthof. Einiges der wenigen Bilder...
Ende Kapitel 1